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Stefans Geschichte vom Pferd

Kapitel 1

Der erste Kontakt:
Im zarten Alter von 6 Jahren begann ich mit dem Voltigieren, um dann mit 12 Jahren mein erstes Dressurturnier der Klasse S mit Erfolg zu bestreiten.
Nein, natürlich war das nicht so, der erste Kontakt mit einem Pferd war Anfang der siebziger im Fernseher (noch Schwarzweiß): Furi, der schwarze Hengst
Naja, wenn man in einer mittelgroßen Stadt wie Esslingen aufwächst, kommt man im Alltag nur selten mit einem Pferd in Kontakt. Daher war es bis in die frühen Achtziger auch kein Thema mehr.
Ja die Achtziger, das war meine Zeit:
Demos gegen Startbahnen, Häuser besetzten, in Kneipen nächtelang über Politik und Gesellschaft diskutieren, freie Liebe, Drogen, Alkohol. Super, zu dieser Zeit wuchs nicht der Bauch, sondern Haare und der Bart. Ich lief mit Alpakaponchos und Norwegerpullis rum; trug Latzhosen in lila, und ging in Bagwandiscos. Einfach eine geile Zeit (OK, ich war dafür ständig pleite, aber was sollts).Tja, und dann traf ich Biggi und mit ihr kamen die Pferde in mein Leben………….
Biggi hatte eine Hannoveraner Stute bei einer Freundin namens Gudrun eingestellt. Es war ihr erstes Pferd und wurde von ihrer Freundin, die zugleich ihre Kollegin war, mitversorgt.
Besagte Freundin war, wie man so schön sagt, etwas „durchgeknallt“. Der Hof war sehr „rustikal“, aber nett. Es gab eine große Dogge, einen Dackel mit Mundgeruch, später noch einen schwarzen verhaltensgestörten Schäferhund und…..3 PFERDE. Übrigens gab es keine verschlossene Türe, so dass man jederzeit Wohnung und Hof betreten konnte (wenn man mit den Hunden klar kam). Das ganze hatte ein bisschen was von Kommune. Hier gab es dann auch den ersten Kontakt von mir mit dem „ Pferd“.

Kapitel 2

Durch den Stall bin ich die erste Zeit nur sehr vorsichtig und mit ausreichend Sicherheitsabstand gegangen. Ich war zu dieser Zeit der festen Überzeugung, dass diese riesigen Tiere einen Menschen sofort anfallen und fressen würden. Einmal waren Biggi und Gudrun in einer Box beim Hufeisen nacharbeiten. Ich hatte gerade zu Panik, wenn sich das Pferd auch nur etwas bewegte. Mein Gott, man kann sich doch nicht in einem so kleinen Raum zeitgleich mit einem  „Monster“ bewegen und auch noch an ihm rummachen.
Mein größtes Haustier war bis zu diesem Zeitpunkt eine Katze gewesen.
Naja nachdem das Pferd beide Frauen nicht getötet hat, kam was kommen musste:
„ Stefan komm mal rein und halte mal den Huf“
Panik stieg in mir auf, aber aus unerklärlichen Gründen betrat ich die Box.
Mein Herzschlag war irgendwo zwischen großen Zeh und Haaransatz zu spüren.
Ehe ich ´s mir versah hatte ich den Huf in der Hand und Gudrun feilte an ihm herum.
In diesem Augenblick fing der große Braune an mich neugierig zu untersuchen.
Ganz vorsichtig beschnupperte er mich und stupste mich mit seiner großen Nase.
Voller Stolz verlies ich die Box. „ES“ hat mich nicht umgebracht.Wie der Zufall es so will, war die Zwillingsschwester von Gudrun Reitlehrerin in einem Reitverein (Übrigens der gleiche Verein in dem ich heute Mitglied bin).So wurde ich zu meiner ersten Longestunde „überredet“.
Mal abgesehen dass ich mir vor Angst beinah in die Hose gemacht hätte, lief es eigentlich ganz gut. Ich durfte dann noch anschließend etwas im Schritt in der Halle „herumlaufen“.Boh, ich kam mir vor wie Rainer Klimke. O.K. auf „Brauntrott“ (so hieß das Pferd) hätte jeder gut ausgesehen. 185 cm Stockmaß, butterweich zum sitzen, perfekt Ausgebildet, Jagd erfahren, Turnierpferd bis M Dressur und Springen. Auf dem hätte ich auch rückwärts aufsitzen können, es hätte immer funktioniert.

Kapitel 3

Wie so im Leben so läuft, war das aber auch schon das vorläufige Ende unserer Reiterei. Biggis Pferd wurde vom Besitzer zurückgefordert (Biggi hatte in als nicht mehr Reitbar günstig bekommen, als Pandora dann aber doch noch konnte, wollte er sie wieder zurück….komplizierte Geschichte). Das war dann aber auch eigentlich bis in die neunziger Jahre. Wir bekamen Nachwuchs, hatten kein Geld…..und so weiter und so fort.
Aber dann ging´ s doch weiter…..
Wir sind Anfang der 90er dann mangels Wohnung in Esslingen nach Stuttgart- Zuffenhausen gezogen. Durch Zufall habe ich kurz vor Weihnachten, die nur ein paar Kilometer entfernte Reitanlage in Leonberg entdeckt. Eine der größten im Süddeutschen Raum.
Sage und schreibe 18 Schulpferde, 2 große Hallen, Sandplätze usw.
Klasse, dachte ich, das wäre doch ein Weihnachtsgeschenk für Biggi. Also rein ins Reitlehrerbüro, Formular ausfüllen und fertig.
Tja, aber da stand ja auf dem Formular was von Familienmitgliedschaft, und das sei ja billiger. Also, dann halt auch gleich selber mit anmelden.
So, nun waren wir ordentliche Mitglieder in einem Reitverein. Und was macht man wenn man in einen Reitverein neu kommt? Natürlich erstmal eine Reithose und superschwitzige Gummireitstiefel kaufen. Gott, waren die sche..e.  Erst kommt man nicht rein, dann rutschen sie fast vom Fuß und wenn man sie dann auszieht riecht es nach toter Katze. Aber egal, als zünftiger Reiter braucht man ja Stiefel (Lederstiefel waren zu dieser Zeit unbezahlbar).
Dann kamen sie, die ersten Longestunden. 8 Stunden in 2 Wochen durfte ich mich im Kreis drehen. Schon nach der ersten Stunde kam ich mir vor wie John Wayne. Oh, ich konnte nicht so reiten, aber so laufen. Besser gesagt ich konnte nur noch so laufen: Das was die Natur mir, als äußeren Unterschied zwischen Mann und Frau verpasst hatte, war jetzt auf Höhe der Mandel. Außerdem  war das Autofahren nach den Longestunden praktisch nicht mehr möglich, weil ich nicht mehr gleichzeitig die Pedale bedienen konnte.  Aber schon nach 2 Wochen und einigen Litern Franzbrandwein und heißen Badewannen, durfte ich voller Stolz in die Anfängerreitstunde…….

Kapitel 4

Nach den Longen war es soweit: Ich durfte meine erste Reitstunde bestreiten:
Reitstunde Freitag 18.00 Uhr
Als erstes ging es mit pochendem Herzen um 17.45 ins Reitlehrerbüro zum Pferdeeinteilen.Äußerlich ganz locker (ich musste vorher wegen der Aufregung 3-mal das „ Stille Örtchen“ aufsuchen) stand ich nun vor dem Schreibtisch des Reitlehrers. Zuerst wurden die „besseren“ Reiter eingeteilt, dann die Anfänger. „ Du nimmst FALK“ kam es aus dem Mund des Reitlehrers und es klang eigentlich ganz Normal. Hätte ich gewusst, was mich erwartet, wäre ich wahrscheinlich Heim gefahren und hätte stattdessen das Minigolfen angefangen. Also schlurfte ich ahnungslos mit meinen nass geschwitzten Gummireitstiefeln in Richtung Stall.Am Stall angekommen grinste mich „FALK“ schon aus seiner Box an. Ich weiß nicht, ob es daran lag das er mit drei Jahren 5 m tief in eine Miste gefallen ist oder ob es vielleicht doch so etwas wie hinterhältige Tiere gibt. Auf jeden Fall schaute er mich an, als ob er mir sagen wollte: Komm nur, ich zeige dir, wer hier der Chef ist.
Das Satteln war gar nicht so schwierig, auch wenn dieses Tier den Bauchumfang eines Nilpferdes hatte. Nein, das Problem kam erst mit dem Zaumzeug. „Falk“ hatte beschlossen das ich nicht seine „Genehmigung“ habe, im das Gebiss hinein zuschieben. Nach 10 vergeblichen  Minuten, blieb mir nur noch die Schlimmste und Erniedrigende Lösung:
Ich musste die so genannten Pferdemädchen um Hilfe bitten. Wenn es etwas gibt, mit dem einen 28 jährigen Mann demütigen kann, ist es der triumphierende Blick von 11 Jährigen Mädchen, die dich in der Box zum Idioten abstempeln. Souverain  ging das Mädchen in die Box wirft „Falk“ den Zügel über den Kopf, zieht in am Ohr nach unten und schiebt in die Trense rein. Super, ich glaube noch nie hatte ich eine gesündere Gesichtsfarbe als in diesem Moment. Hochmotiviert ging ich auf den Sandplatz um mich mit den anderen Vorschriftsmäßig in Linie aufzustellen. Ich könnte schwören, dass „Falk“ mir die Zunge rausstrecke, als ich endlich aufgesessen bin. Naja, dachte ich, schlimmer ganz ja kaum werden.
Falsch gedacht, denn es kam schlimmer. “Falk“ hatte sich nämlich vorgenommen, alle meine Treib- und Steuerversuche zu ignorieren. Also stand ich mitten auf dem Sandplatz ohne mich zu bewegen. Nein, das ist vielleicht falsch ausgedrückt: „Falk“ hat sich nicht bewegt, Ich war am Treiben wie ein Gestörter. Aber genauso gut hätte ich ein Voltifaß durch Treiben bewegen können. Gott sei dank geht so eine Schulstunde ja nur eine ¾ Stunde, sonst würde ich heute noch als Schulreiterdenkmal auf dem Platz stehen. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass sich meine Gedanken in diesem Moment sich um Pferdemetzger, Schusswaffen und Pferdeschnitzel drehten.

Kapitel 5

Nachdem ich die ersten Reitstunden überlebt habe, war der Moment gekommen an dem mein erster Ausritt (in der Gruppe) stattfinden sollte. Gelegentlich fanden, meist im Hochsommer, kleine Ausritte anstelle der Abend-Abteilungsstunden statt.
Mal wieder war ich völlig ahnungslos als ich das Reitlehrerbüro betrat. Wie schon so oft bekam ich wieder „Falk“ aufs Auge gedrückt. Allerdings diesmal mit der Anweisung nicht auf dem Platz Aufstellung zu nehmen, sondern vor dem Stall zu warten. Mein Versuch des Protestes wurde von Klaus, dem Reitlehrer, mit heftigstem Anschiss nieder gebügelt.
Mein Argument war, wenn das Pferd auf dem Platz/Halle nicht auf mich reagiert, wird es das draußen schon gar nicht tun. Aber Protest nützte nichts, also zog ich Richtung Stall ab. Beim Satteln (das konnte ich schon mittlerweile alleine), gingen mir allerlei Dinge durch den Kopf:
Wird es sehr wehtun, wenn ich falle? Werde ich an einen Rollstuhl gefesselt sein? Was wird aus den Kindern?
Derart motiviert setze ich mich bibbernd auf Falk. „OK, du wirst mich also auf freien Feld töten“ Langsam füllten sich meine Gummi-Sauna-Stiefel mit Körperflüssigkeit. Im Schritt ging es nun runter von der Reitanlage hinaus auf einem langen Feldweg. Plötzlich  kam von vorne die Anweisung „Trapp“.
„ So nun ist es soweit, das Ende ist gekommen…“ dachte ich für mich.
Aber Hallo, was ist denn jetzt los? Falk machte gar keine Anstallten mich abzuwerfen und zu zertrampeln. Nein, er lief wie das bravste Pferd der Welt, völlig ruhig und gelassen. Er reagierte auf alle Hilfen, ich konnte schnell oder langsam traben und der Galopp war traumhaft. Ich verstand die Welt nicht mehr…

Kapitel 6

 Nun, jetzt stand meiner Kariere als Vielseitigungsreiter eigentlich nichts mehr im Weg.
Naja, außer die Tatsache das ich in der Halle immer noch etwas im Weg war. Hufschlagfiguren zu kennen und sie zu Reiten sind ja zwei Welten. Und die sind nicht unbedingt zu vereinen. Ich in dieser, die Hufschlagfiguren in einer anderen. Notgedrungen neigt der Reitanfänger ja zur einfachsten Hufschlagfigur: „Ganze Bahn“, und das möglichst im Schritt auf dem Hufsschlag. Sehr beliebt auch, das ganze entgegengesetzt der Angesagten „Hand“.
Die Aufmerksamkeit der Mitreiter ist einem ja so Gewiss. Und anschließend im Reiterstüble bekommt immerhin noch einmal die ganze Reitstunde analysiert. Hallo, ich weiß wie die Bahnregeln gehen. Ich könnte auf Anhieb eine „M“- Dressur laufen, das Problem ist nur ich soll das ja mit Pferd machen. Das Pferd aber hat immer noch nicht eingesehen, das ich die Richtung angeben soll. In diesem Zusammenhang ist das absolute Horrorszenarium für jeden Anfänger das Reiten an der Spitze der Abteilung das sogenannte „Tete“ (Schon die Bezeichnung ist GAGA). Wenn man Psychisch/Akustisch berufsbedingt schon etwas eingeschränkt ist, sind die Anweisungen des Reitlehreres,  soweit weg wie Stuttgart vom Mond.